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Handlungsorientierung (Kompetenzen) als Ökonomisierung der Bildung

Eine wissenschaftliche Arbeit über die zentralisierte Rolle der Berufsbildung als der Bildung schlechthin mit Kompetenz- und Handlungsorientierung.

Bildung unter dem Zwang der Ökonomie – Der Kompetenzdiskurs innerhalb der beruflichen Bildung als Verstärkung der Bildungsungleichheit (https://sozialekunst.eu/Bildung-unter-dem-zwang-der-Oekonomie_Kavaliou2021.pdf)

Die Kompetenzen und die Handlungsorientierung sind ja neuerdings sogar Inhalte der ‚Waldorfpädagogik‘. Wenn man diese Hintergründe (aus der vorliegenden Arbeit) kennt, dann wird man tendenziell nachvollziehen, was eigentlich das weitgehend unreflektierte Bestreben der Freilerner und vor allem die Leppe-Methoden mit der Mode der Subjektivierung der Bildungsverantwortung, mit dem subjektzentrierten Konstruktivismus, den EU-Richtlinien zur Handlungsorientierung, dem grundsätzlichen Effizienzstreben zu tun haben. Wer also ’neue‘ pädagogische Trends zu setzen meint, sollte die aktuellen Bildungshintergründe kennen, ansonsten spielt er / sie nur auf dem Klavier des aktuellen Ökonomisierungstrends und der Verschleierung der Zusammenhänge. Die subjektzentrierte (konstruktivistisch selbstverantwortliche) Berufsbildung soll uns im Sinne der Handlungsorientierung als DIE BILDUNG verkauft werden, während die wirkliche Bildung (zumindest für die unteren Gesellschaftsschichten) mittlerweile kaum mehr eine Rolle spielt!

Aus dem Inhalt:

„Mit Bildung kann man Kriege verhindern, mit Ausbildung nicht“ (Grottker 2020, S. 42)

Auch wenn die schwankende Dichotomie der allgemeinbildenden Persönlichkeitsentwicklung, der Bildung „im Sinne Humboldts“ (Brater 2020, S.11; vgl. Leiber 2016, S. 3 ff.) und der beruflichen Bildung sich gegen die Intentionen Humboldts wendete (vgl. Baethge 2006, S. 19), entwickelten sich daraus zwei eigene institutionell bedingte, von einander getrennte Segmente, die Baethge als Bildungs-Schisma bezeichnet hat (a.a.O., S. 16). Heute scheint es unbestritten zu sein, dass die Berufsbildung und die daran anschließende Weiterbildung unter dem Druck der zusätzlich zu der funktions- und zweckbezogenen praktischen Schulung dringend nötigen allgemeinbildenden Persönlichkeitsentwicklung stehen (vgl. Brater 2020, S. 12; Grabowski 2007, S. 3 ff.). Der bisher dominierende Erklärungsversuch, der den Grund für die nötige Ergänzung der Berufsbildung mit einer persönlichkeitsbildenden Dimension in den fünf strukturwandelnden zentralen Megatrends (vgl. Dehnbostel 2008, S. 24 ff.; Schiersmann 2007, S. 16 ff.) und den Anforderungen an die entsprechend gebildeten Arbeitskräfte sieht (vgl. Brater 2020, S.10 ff.; Grabowski 2007, S. 3 f.), beleuchtet lediglich den zweckgebundenen ökonomischen Blick auf den Menschen als gewinnbringendes Humankapital. Die daraus folgende, nicht neue, aber immer noch aktuelle Theorie der Schlüsselqualifikationen, die als ein „System von Kompetenzen“ (Reetz 1999, S. 6 ff.) gesehen
werden kann und der gesamte Kompetenzdiskurs lassen den Eindruck entstehen, dass die Berufsbildung schon länger auf dem Weg ist, sich zu einer ganzheitlichen, persönlichkeitsbildenden Initiative zu entwickeln. Brater schreibt in diesem Sinne: „Die Behauptung, die zweckhafte Berufsausbildung könne nicht Persönlichkeit bilden, ist heute unhaltbar geworden“ (Brater 2020, S. 4) und bezeichnet diese Entwicklung als einen Paradigmenwechsel. Der gesellschaftskritische Blick bringt allerdings eine andere Sichtweise mit ein, die die massive Ökonomisierung der Berufsbildung und die damit verbundene übertragene Verantwortung auf die Auszubildenden und Beschäftigten beleuchtet (vgl. Büchter/Höhne 2021, S. 7 ff.). Da bereits die Schulbildung den Kompetenzerwerb als einen zentralen Faktor primärer Herkunftseffekte und des davon abhängigen Bildungserfolgs behandelt (vgl. Dollmann 2016, S. 255) und die Kompetenzunterschiede als „Ausdruck sozialer Ungleichheit“ (Hillmert 2016, S. 94) auffasst und Ott den Begriff der „ganzheitlichen Berufsbildung“ (Ott 1999, S. 55 ff.) prägte, in dem er sogar ein Herausführen „aus der Abhängigkeit und Unmündigkeit“ (Ott 1995, S. 51) verortet hat, liegt es nahe, zu vermuten, dass die massive Förderung beruflicher Kompetenzen nicht nur einen Beitrag zur Deckung wirtschaftlich-technologischen Bedarfs leistet, sondern auch einen Beitrag zur Minderung der Bildungsungleichheit suggeriert.

In Anbetracht des angestrebten Paradigmenwechsels in Bezug auf die persönlichkeitsbildende Dimension der Berufsbildung, der damit verbundenen Infragestellung der neuhumanistischen „Zweckfreiheitsthese (reine Bildung ist nur zweckfrei möglich)“ (Brater 2020, S. 12) und dem weitgehend fehlenden Fokus auf die weiterhin vorhandene Bildungsungleichheit besteht der Bedarf an der kritischen Erörterung des Beitrages des Kompetenzdiskurses zur bestehenden Bildungsungleichheit. Daraus ergibt sich die zentrale Forschungsfrage: In welcher Weise trägt der Kompetenzdiskurs innerhalb der beruflichen Bildung zur Verstärkung der Bildungsungleichheit bei? Es soll dabei untersucht werden, ob die Fixierung der Berufsbildung auf den ökonomischen Bedarf, die nötige Effizienz und die damit verbundene angestrebte Aufwertung durch die allgemein- und persönlichkeitsbildenden Elemente die vorhandene Bildungsungleichheit verstärkt.

Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit dem theoretischen Rahmen und seiner historischen Einordnung. Darin sollen die für das Verständnis des Kompetenzdiskurses nötigen Konzepte und Theorien mit ihren geschichtlichen Hintergründen lokalisiert und erläutert werden. Ausgehend von der Berufsbildung wird dabei das Konzept des deutschen Bildungs-Schismas im Kontext seiner historischen Wurzeln in den Berufsbildungstheorien untersucht. Im weiteren Verlauf werden die damaligen Bedingungen der industriellen Revolution für die gesellschaftliche Förderung der Berufsbildungstheorien geklärt, ihre noch früheren religiösen Zusammenhänge erwähnt und die Ergebnisse dieser Entwicklung aus dem Blick des Humboldtschen Bildungsideals betrachtet. Nach der Darstellung der verstärkenden berufs- und subjektbezogenen Wirkung der Arbeits- und Lerntheorien, wird der Kompetenzdiskurs einerseits als die Antwort auf die technologischen Nöte der Moderne andererseits in seiner ideologischen Dimension erörtert.

Im zweiten Teil soll die Verstärkung der Bildungsungleichheit innerhalb der beruflichen Bildung durch den Kompetenzfokus untersucht und die gestellte Forschungsfrage beantworten werden. Der abschließende Teil zieht ein Fazit, formuliert einen grundsätzlichen Lösungsansatz und gibt einen Ausblick auf eine nötige weitere Forschung.

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