Kontrafunk – Interview zur Handreichung „Kritisch denken lernen!“

Am 06. März 2025, also kommenden Donnerstag, wird ein Interview mit mir im Rahmen der Sendung „Lehrerzimmer“ beim Kontrafunk-Radio ausgestrahlt. Es geht dabei um meine im Januar in den Umlauf gebrachte Handreichung „Kritisch denken lernen!“, die während meines Studiums der Bildungswissenschaften entstanden ist. Da ich damals keinen Träger für die Umsetzung des Projekts gefunden habe – kritisches Denken ist ja heute nur in festen Bahnen und nur gegen die Kritiker des medial-politisch Etablierten populär – setzte ich die darauf aufbauende Fortbildung unter eigener Trägerschaft um. Dafür ist das Projekt „Kritischer Bildungskreis“ entstanden.

Die Sendung wurde bereits aufgenommen. Sie wird an dem Tag drei mal ausgestrahlt. Laut Sendeplan (dieser wird tagesaktuell angezeigt) um 10:05 / 16:05 / 21:05. Danach erscheint sie in der Lehrerzimmer- Mediathek. Man kann sie also auch später bequem anhören. Grundsätzlich gibt es bei Kontrafunk einige lohnenswerte Beiträge. Doch damit ist nicht alles gesagt.

Erster Shitstorm

Wenn ich von online-Projekten und meiner früheren musikalischen Tätigkeit absehe, ist das mein erster öffentlicher Auftritt und mein erstes Interview. Doch bereits vor der Ausstrahlung erlebe ich (sicher nicht das erste mal, aber in dieser komprimierten Art durchaus) einen Shitstorm von einem mit mir eigentlich befreundeten Menschen. Dieser Shitstorm hat geradezu einen beispielhaften Charakter für die haarsträubende Problemlage unserer Gesellschaft, deswegen will ich ihn hier teilen und darauf eingehen:

„Danke, ich konsumiere aus Prinzip keine rechten Medien. Da wird mir immer so übel bei Form und Inhalten. Ehrlich, ich finde es unglaublich schade, dass du dich in diesem Strom bewegst und den auch noch mit pseudowissenschaftlichen Texten fütterst. Setz Dich doch erst einmal wirklich mit kritischen Theorien auseinander. Durchdenke Theoretiker*Innen und lass den gesunden Menschenverstand walten. Alles andere ist leider genau wie du schreibst Aluhutträger*Innengelaber. Und nicht nur das, es ist in großen Teilen menschenverachtend. Also nein, ich habe keine Interesse noch mehr aus dem braunen Sumpf zu hören. Ich setze mich lieber weiterhin für eine offene, menschenliebende, gerechtere und bunte Gesellschaft ein.“

Die komprimierte Form von modernen Vorurteilen, Diskreditierungen, Kampfbegriffen, Plastikwörtern (U. Pörksen) und einer alles andere verachtenden Selbsterhöhung ist hier wirklich erstaunlich geglückt! Sogar „gesunder Menschenverstand“ ist dabei, der in meiner Handreichung übrigens nebenbei behandelt wird. Die „wirkliche Auseinandersetzung“ mit der Kritischen Theorie vermute ich würde dazu führen, sie lediglich in dem „Kampf gegen Rechts“ zu verorten. Auch das ist in der Handreichung als Reduzierung dieser Theorie (mit einem Zitat belegt) erwähnt. „Die Wissenschaft“ wird ebenfalls behandelt. Und Aluhutträger wurde von mir als ein Beispiel für einen diffamierenden und diskreditierenden Begriff gebraucht, respektlos vom „Gelaber“ schreibe ich an keiner Stelle. Es ist also alles dabei, von Verdrehungen bis zu praktischen Beispielen für die Themen meiner Handreichung.

Da ich kein Freund von sozialen Wohlfühl-Blasen bin, im Sinne von „schaffe dir einen Umkreis von Gleichgesinnten“, ist es für mich kein Grund zur heutzutage so geliebten Distanzierung. Dieses Phänomen muss also betrachtet und mit Willigen aller Überzeugungen diskutiert werden.

Kontrafunk ist rechts!

Kontrafunk ist also ein rechtes Medium. Das überrascht mich nicht, da erstens wirklich ALLES als rechts bezeichnet wird, was nicht dem politisch-medial hergestellten Trend entspricht (das ist mittlerweile quasi status quo) und da zweitens natürlich ein Totschlagargument hinzukommt: Burkhard Müller-Ullrich ist seit 2017 bei der AfD, die ja bekanntermaßen als rechtsextrem bezeichnet wird und in einer frei-demokratischen Gesellschaft (wie alles, was nicht passend ist) verboten gehört! Ja, da haben wir es doch! Dazu gibt es natürlich noch bei Wikipedia eine Sammlung an Aussagen, die die rechtsextreme Natur des Senders belegen. Eindeutiger Fall also, Kontrafunk ist rechts, wenn nicht sogar rechtsradikal! Das deutsche Bankkonto wurde dem Laden schon gekündigt. Es ist ja verständlich, dass die „offene, menschenliebende, gerechtere und bunte Gesellschaft“ sich von dreckigen Elementen säubern will. Das ist die gelebte ‚freie Welt‘, die sich ganz natürlich über die bösartige unfreie Welt erheben muss. Wie soll die Liebe und das Gerechte und Vernünftige denn sonst in die Welt kommen? Die tragische Ironie wird heutzutage sicher nicht jede*r bemerken.

Aber… aber die Relativierung der NS-Zeit?

Und erstaunlicherweise zieht hier das eigene Argument solcher rechtssensiblen Menschen nicht – die Relativierung der NS-Zeit. Wenn AfD rechtsextrem ist, dann sind also Burkhard Müller-Ullrich und Kontrafunk selbstverständlich ebenfalls rechtsextrem. Was sind dann die klassischen glatzköpfigen Springerstiefelträger? Die sind rechtsextremer? Am rechtsextremsten? Rechtsextremistisch? Was war die NPD? Die beinahe komplett aus V-Leuten, toten Zeugen und geschredderten Akten bestehende NSU war ja dazu noch terroristisch, also klarer Unterschied, ok. Was war denn dann die NSDAP? Laut Wikipedia war sie nicht explizit rechtsextermistisch, aber implizit ja durchaus. Denn laut Wikipedia gehören zum Rechtsextremismus „ultranationalistische, faschistische, neonazistische oder neofaschistische politische Ideologien und Aktivitäten“. Also ist es alles die AfD… und die NSDAP… die ehemalige CSU und CDU… der jetzige Merz… Kontrafunk… und übrigens auch der „Protest gegen COVID-19-Schutzmaßnahmen“. Dieser findet sich bei Wikipedia unter „Rechtsextremismus“. Klarer Fall!

Schaue ich mir das genauer an, was die jeweiligen Akteure gemacht haben und machen, gibt es für mein Verständnis irgendwie Unterschiede. NSDAP und ihr drittes Reich haben geschichtlich für Deutschland und den Rest der Welt so einiges zum Nachdenken hinterlassen würde ich sagen. Wenn man auf die Idee kommt, die Wirkung von Burkhard Müller-Ullrich und Kontrafunk damit zu vergleichen, hat man schon eine sehr spezielle Denke.

Nicht einmal Wikipedia hat es bei aller Mühe geschafft ihn in die rechte Ecke zu stellen. Dafür ist sein Buch aus der 90ern „Medienmärchen“ gerade in diesem Kontext interessant. Bei Kontrafunk selbst gabs für Wikipedia natürlich mehr Angriffsfläche. Wenn Höcke (von dem ich wirklich nicht im Ansatz etwas Gutes halte) es empfielt und Höcke auch noch in einem Satz mit Maaßen (der durchaus ein ernstzunehmender Kritiker ist) erwähnt wird, ja, dann ist doch die Lage klar! Wenn ich Höcke noch mehrmals hier schreibe, dann ist das allein schon rechtsextrem! Man sollte noch Putin fragen, ob ers empfehlen würde. Dann kommt noch das ekelhafte Diffamierungsportal „Volksverpetzer“ als eine Expertenmeinung. Dazu die linksextreme (oder darf man das nicht in die andere Richtung anwenden? Denn was ist schon linksextrem so genau?) TAZ, die das natürlich rechtsextremistische (was sonst?) AUF1 im Kontext mit Kontrafunk erwähnt. Die Anti-Impf-Rhetorik wird dann von Reisin selbstverständlich in die neurechte Ecke geschoben und wenn es auch noch um eine kritische Haltung zur einseitigen Sicht auf den Russland-Ukraine-Konflikt geht, ja dann, ist es natürlich schon von sich aus rechts. Das Konstrukt „Kontrafunk ist rechts!“ ist fertig gebastelt.

Kehrt man zurück zur NSDAP wird diese „sehr spezielle Denke“ irgendwie… symptomatisch.

Man kann also in dieser Art Kontrafunk, natürlich die AfD, aber auch die Kritik an der Covid-Politik, Kritik an der Impf-Politik und um keine endlose Liste anzufertigen… Kritik an der Macht in die gleiche Ecke stellen – in die Ecke der NSDAP. Die Medien als sogenannte vierte Gewalt zur kritischen Reflexion der Machtstrukturen sind somit natürlich auch per se in irgendeinem Sinne rechts oder rechtsextrem, rechtsradikal, neurechts, rechtsextremistisch etc. Die Kritische Theorie, wenn sie nicht einfach nur gegen rechts ist und etwas außerhalb anpackt, ist selbstverständlich ebenfalls rechts.

„Wehret den Anfängen!“

Ich vermute, es ist das berühmte „Wehret den Anfängen!“. Anders ist es mir nicht zu erklären. Man meint also, dass der Vergleich nur in seiner Potenz gilt. Kontrafunk und Co. bereiten den Weg für den eigentlichen… was eigentlich? Rechtsradikal sind sie ja schon. Sind sie dabei das dritte Reich wieder aufzubauen? Das vierte? Wovor haben solche rechtssensiblen Menschen eigentlich Angst?

Denn meistens (es gilt seltene Ausnahmen) kann man anhand konkreter Taten der als rechtsextrem etc. diffamierten Menschen und Organisationen ihre ernsthaft rechtsextreme Sichtweise gar nicht beweisen. Will man ernsthaft darüber diskutieren und nicht nur mit Polemik und Beleidigungen um sich werfen, wird man das in den meisten Fällen nun mal nicht schaffen. Die ganzen ‚Argumente‘ erübrigen sich in Ad-Hoc-Kampfparolen ala „AfD-Nähe“, „Höcke empfielt“, „Covid-Maßnahmen-Kritiker“ etc. die man ganz schnell zusammenkleistert. Dann kleistert man mehrere in dieser Art diffamierten Portale oder Menschen aneinander, stellt Verbindungen her, die bestehen oder auch nicht und schon hat man… nichts, aus Nichts gebaut… aber wirkungsvoll für effektive Polemik. Möge der philosophische Begriff des Nichts mir an der Stelle verzeihen.

Anfänge

Außer dieser Angst, die man natürlich nicht durch eine Diskussion klären kann, bieten unklare und ungeklärte Begriffe viel Raum für Konflikte. Was sollen „Anfänge“ sein? Anfänge von was und wie müssen sie geartet sein, damit sie dieses „was“ als Konsequenz ‚produzieren‘? Und dann ist selbstverständlich Klarheit in Bezug auf den Begriff „rechts“ angebracht.

Es soll hier keine Erörterung dessen geschehen, wie Anfänge in diesem kontext zu definieren sind. Das sollte in öffentlichen UND offenen Diskussionsräumen ausgehandelt werden. Klar ist jedoch, dass es verschiedene Sicht darauf gibt. Die einen sehen in Kontrafunk und Co. die Anfänge, die anderen sehen sie genau auf der gegenüberliegenden Seite. Denn für mich ist das obige Shitstorm-Zitat genau das, was ich unter diesen „Anfängen“ verstehe. Wer „Die Welle“ kennt UND die Botschaft begriffen hat, weiß, dass solche Anfänge 1. extrem subtil sind und keinerlei plakative Erscheinung haben und 2. sind sie immer als gut präsentieren. Das könnte man beiden Seiten vorwerfen. Will man also wirklich zur Klärung durchdringen und nicht mit einem menschenliebenden Panzer drüber fahren, dann müsste man genau diese Frage in offenen Debatten bewegen… und zwar sehr lange bewegen. Vielleicht würde da bei gutem Willen etwas mehr Klarheit entstehen. So viel zur Utopie.

Rechts

Viel einfacher ist es aber, den Begriff „rechts“ zu klären und ihn in den Kontext unserer Gesellschaft zu stellen. Denn wenn mir einer sagt: „rechts = konservativ“, so bin ich damit ganz einverstanden. Ich halte nicht viel von konservativer Politik, aber ich bin mit dem Begriff einverstanden. Wann die Extreme anfängt, ist eine gute Frage, die ebenfalls in solche offenen Debattenräume gehört. Wenn also jemand sagt: „Kontrafunk ist konservativ“, da würde ich nach meiner Auseinandersetzung mit dem Sender es teils bejahen können.

Beim Willen zur ernsten Kritik am Kontrafunk (und ähnlichen Zusammenhängen) müsste man sich also von mir aus kritisch mit dem Konservativen befassen. Das kann man tun. Das halte ich auch für angebracht, genau wie jede andere kritische Auseinandersetzung mit Lebens- und Gesellschaftskonzepten.

Links? Neoliberal? Grün? Technokratisch?

Was bei dieser Debatte allerdings sehr gerne völlig unter den Tisch fällt, sind andere Lebenskonzepte und Ideologien, die in unserer Gesellschaft voll und ganz ihren Ausdruck finden. Schaut man genauer hin, ist es wirklich erstaunlich!

Was ist zum Beispiel „links„? Ich komme aus der ehemaligen Sowjetunion und meine durchaus noch an eigener Haut erlebt zu haben, was „links“ bedeutet. Und ich habe erst sehr spät hier und Deutschland verstanden, dass „links“ in seiner voll verwirklichten Art genau so übel ist, wie das, was man unter „rechts“ versteht. Der soziale Gedanke, der bei den Konservativen meistens fehlt, ist aus meiner Sicht eine wichtige gesellschaftliche Komponente, aber da hörts bei mir auch schon auf. Der protektive Gedanke der Konservativen ist aus meiner Sicht ebenfalls bis zu einem gewissen Punkt sehr angebracht. Viel mehr kann ich dem Konservativen aber auch nicht abgewinnen. Je tiefer man sich das Linke und seine Geschichte vor die Augen führt, desto mehr müsste einem eigentlich aufgehen, was für ein Übel das ist, wenn es in seiner Konsequenz wirklich umgesetzt wird. Ein Übel, welches sich vom konsequent Rechten kaum unterscheidet.

Also die Mitte! Von der grundsätzlichen Idee wäre ich tatsächlich für eine Mitte. Politisch ist sie natürlich nicht vorhanden, denn die Pseudo-Mitte wird von anderen Ideologien besetzt. Neoliberalismus, das Primat der Wirtschaft, ist hier gut verankert. Ein Streben nach irgendwie „frei und menschenliebend“ kann man dem Neoliberalismus trotz des Märchens über den „Fahrstuhleffekt“ und die „Meritokratie“ wirklich nicht andichten.

Dann könnte man noch die vorherrschende grüne Ideologie betrachten und sich fragen, ob man diese nicht ganz besonnen in eine Reihe mit „rechts“, „links“ und „neoliberal“ stellt. Dazu kann man noch die Technokratie (die Expertenherrschaft) herholen, auch den Genderismus betrachten und so weiter. Denn alles kann zu einer Ideologie werden, alles kann extrem werden. Die Frage ist nur, wo sind die Anfänge? Und zwar nicht nur bei den Konservativen und Rechten, sondern bei jeglicher Politrichtung!

Das Extreme soll aber nur in der rechten Richtung angeschaut und kritisiert werden und vor allem dort, wo noch gar nichts extrem ist.

In allen anderen Richtungen waltet das Extreme schon lange. Wir hatten ein polit-medizinisches, nicht zu hinterfragendes Regime, welches sich als gelebter Sozialismus verkauft hat, statistisch mit keinerlei Daten zu unterlegen ist, viele Tote gefördert hat und keiner Aufarbeitung bedarf. Auf der anderen Seite waren stets Idioten und Aluhutträger, der überfällige Blinddarm der Gesellschaft. Wir haben die menschenhassenden Weltklimaretter für die es nur einen Weg und einen Grund für alles gibt. Auf der anderen Seite sind ebenfalls Idioten, die man still legen sollte. Wir haben ein Wirtschaftssystem, für welches Politik und Bildung lediglich ein Schauspiel der Legitimation darstellen. Wir haben ein etabliertes Mediensystem, welches wie ein Panzer stets bestimmte Narrative verfolgt. Und auf der anderen Seite, ihr wisst schon wer.

Aber was ist wenn das Rechte sich ausbreitet?

Wir haben also viele Extreme, die es wert sind, sehr kritisch angeschaut zu werden. Das Rechte ist nur ein Teil davon. Wenn das Rechte am Ende die Oberhand gewinnt, dann werden die Rechtssensiblen natürlich schreien: „Daaa!!! Wir hatten recht!!!“ Doch kann es vielleicht sein, dass es an der Frust der Menschen liegen könnte, die von anderen Extremen erdrückt und bestimmt wurden, ohne dass sie darüber offen debattieren konnten (ohne Beleidigungen, Kontensperrungen, Zerstörungen der Karriere etc.)?

Kann es sein, dass das Konservative vor allem dann stark wächst, wenn die Kräfte, die meinen sich für fortschrittlich zu halten, fanatisch und ideologisch über alles drüber fahren, was ihnen nicht passt? Wäre es also nicht angebracht, gerade in dieser erhitzten Zeit unserer vor dem dritten Weltkrieg stehenden Gesellschaft den Fokus etwas zu weiten? Wäre es nicht angebracht „die Anfänge“ nicht nur im Konservativen zu suchen und dieses stets mit NSDAP zu vergleichen, sondern diese Anfänge auch wo anders sehen zu lernen?

Ich meine, es ist bitter nötig, denn wir haben lang nach 12 für jegliche Eskalationen und menschenverachtende Regimes!

P.S. nach meiner Erwiederung auf das obige Shitstorm-Zitat und ein paar sachliche Punkte kam letztendilch als Argument ein Artikel vom Südkurier über die AfD-Nähe von Kontrafunk. Ja, das triffts. Meine Handreichung „Kritisch denken lernen!“ trifft direkt ins Schwarze.

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